Bad Godesberg ist voller liebenswerter Menschen, die einander viel zu erzählen hätten und viel voneinander lernen könnten – wenn sie sich nur ein wenig besser kennen würden. Dazu wollen wir beitragen. Wir freuen uns, in diesem einzigartigen Stadtteil zu Gast zu sein und seine beeindruckende Vielfalt zum Klingen zu bringen.
Unser Ziel: Gemeinsam mit unseren Partnern und Auftraggebern das Zusammenleben in Bad Godesberg zu verbessern und mehr Miteinander zu ermöglichen.
Zum Beispiel…
Wir wollen die Menschen, die hier leben zur Begegnung anstiften. Unser erster Schritt: Wir lassen uns selbst einladen, fragen nach und hören zu. Auf diese Weise kommen wir ins Gespräch und nähern uns Schritt für Schritt dem Ziel, die hier lebenden Menschen auch untereinander ins Gespräch zu bringen. Als Gastgeschenk bringen wir die passende Musik mit. Mal singen wir Martinslieder mit Senioren, mal syrische Lieder mit Geflüchteten. Und manchmal entsteht dabei auch etwas ganz Neues.
So haben wir beispielsweise zwei örtliche Gruppen zusammengebracht, um mit ihnen ein traditionelles ukrainisches Lied mit neuem Text einzuüben.
Die ukrainische Nähgruppe der Godesberger Flüchtlingshilfe trifft sich regelmäßig im Gemeindehaus St. Augustinus, um Versehrtenkleidung für verwundete Soldaten zu nähen. Zusätzlich engagieren sie sich für Bedürftige in Godesberg und für gemeindliche Projekte wie die Sternsinger-Aktion.
Auch der Frauenchor Tonino probt im Gemeindehaus St. Augustinus. Einige Sängerinnen haben sich spontan bereiterklärt, die Ukrainerinnen musikalisch zu unterstützen.
Die Melodie des Liedes ist ein bekanntes ukrainisches Volkslied. Das Originallied handelt von einer Mutter, die ihrem Sohn ein besticktes Tuch mit auf die Reise gibt. Unsere Trimum-Version drückt die Gefühle von Menschen aus, die durch Krieg und Exil von ihren engsten Angehörigen getrennt sind.
Die Menschen in Bad Godesberg pflegen unterschiedliche Traditionen, feiern unterschiedliche Feste und singen unterschiedliche Lieder. Trimum entwickelt seit 2012 Konzepte und Formate für kultur- und religionsübergreifende Feiern. Dies wollen wir auch in Bad Godesberg tun.
Die KGS am Domhof ist eine katholische Grundschule mit einem hohen Anteil an muslimischen Schülerinnen und Schülern. Gemeinsam mit den Lehrerinnen der Schule und dem Forum für Komparative Theologie haben wir eine interreligiöse Feier für die Vorweihnachtszeit gestaltet. Damit haben wir nicht nur eine neue Tradition an dieser Schule begründet, sondern zugleich ein Modell geschaffen, das auch anderen Schulen zur Verfügung gestellt wird.
Viele Godesberger:innen sind sich fremd oder kennen sich nur flüchtig. Um sie einander näher zu bringen, hat unser Team im Auftrag des Klimaviertels Unter der Godesburg ein halbes Jahr lang Menschen aus Bad Godesberg interviewt und fotografiert.
Einige Beispiele:
Basel: Heimat bedeutet für mich, angekommen zu sein. Es bedeutet die Ruhe, die ich spüre, wenn ich durch den Kurpark spaziere. Dann kommen Erinnerungen an meine Kindheit hoch. Das Heimweh meiner Eltern habe ich als Kind nicht verstanden. Meine Mutter stammt aus dem Jemen und mein Vater aus Jordanien. Ich habe zwei Jahre in Berlin studiert. Aber Berlin war zu weit weg von meiner Heimat. Deshalb bin ich wieder hierher zurückgekehrt.
Ursula: Mit den Diplomaten damals, das war richtig toll. Die Amerikaner hatten die ganze Rheinaue gekauft. Das nannten wir „Ami-Siedlung“, da kam keiner rein. Aber meine Söhne sind sehr sportlich. Sie lernten Jungs aus der Siedlung kennen und haben sich in den Baseball verliebt. Durch die Kinder habe ich dann auch mehrere Mütter kennengelernt. Die Amerikaner aßen Pommes frites, grillten Barbecues und guckten englische Filme. Das war ganz was Tolles, das gab es ja bei uns noch nicht.
Anna: Meine Eltern haben hier in Bad Godesberg eine Pension und wir haben oft internationale Gäste. Wenn in Bonn Klimakonferenz ist, dann sind wir immer ausgebucht. Aber um ehrlich zu sein: ich habe meine Hoffnung in diese Konferenzen verloren. Letztens war ein Klimadelegierter aus Äthiopien in unserer Pension, der hat auch die Hoffnung verloren. Die Herrscher dort sind korrupt und kümmern sich nicht darum. So lange überall die alten Leute an der Macht sind, wird sich nichts verbessern.
Hakim: Ich liebe es, mit den Händen zu arbeiten, und die Kunden sind auch zufrieden. Mein Vater war auch Schneider. Ich habe es von ihm gelernt. Schuster, Schneider, diese Berufe werden gebraucht. Handarbeit ist wichtig. Das Wegschmeißen von Kleidung ist schade. Manchmal gibt es teure Sachen und die brauchen nur repariert zu werden.
Jamila: Zuerst lebten wir in Aleppo, doch dann brach der Krieg aus. Über uns hinweg schossen syrische Soldaten und wir sahen viele Tote und Verletzte. Unsere Flucht hat uns über die Türkei nach Deutschland geführt. Die Anfangszeit in Deutschland war schwierig, da ich nicht mit allen sprechen konnte. Syrien bleibt meine Heimat. Ich bin dort geboren, das kann man nicht vergessen. Aber ich möchte in Deutschland bleiben. Ich will, dass mein Kinder hier lernen und glücklich sein können. Dafür will ich ihnen Kraft geben.
Walter: Am 18. Oktober 1944 war hier der letzte Schultag. Das war, als Bonn bombardiert wurde. Da waren wir in der Schule und mussten in den Bunker gehen. Seitdem hatten wir keine Schule mehr. Bonn war ja praktisch zerstört. Aber mein Vater war in der Partei, dadurch konnte ich auf Kinderlandverschickung. Ich war zwölf Jahre, da hieß es: „Hitlerjungen weinen nicht“. Aber als der Lagerleiter zu Weihnachten eine Rede hielt, da brach er selbst in Tränen aus.
Janis: Berlin, Bremen, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Köln, Hamburg, Bad Godesberg… Seit zehn Jahren schlafe ich auf der Straße. Ich komme aus Riga. Lettland ist nicht gut. Aber in Deutschland ist es gut. Gute Stadt. Hier frage ich nach bisschen Geld, ja, das ist kein Problem. In meiner Stadt in Lettland: keine Chance. Deutschland, I love you!
Maryann: Ich habe nie gebetet oder geträumt, nach Europa zu kommen. Aber ich wollte Journalistin und Nonne werden, seit ich acht Jahre alt war. Wenn die Leute mich gefragt haben „Warum möchtest du Nonne werden?“, dann habe ich gesagt: „Ich möchte Gott dienen durch Menschlichkeit.“ Das war meine Antwort. Und das tue ich jetzt hier in Bad Godesberg.
Lina: Bad Godesberg ist zum Glück sehr multikulturell. Dafür bin ich richtig dankbar, denn man kriegt dadurch viele verschiedene Lebensperspektiven mit. Aber man hat hier kein Ramadan-Gefühl. Ich würde gerne einmal erleben, wie die Sonne untergeht und man gar nicht auf die Uhr gucken muss, weil man den Gebetsruf hört und weiß: Jetzt essen alle mit ihren Familien und danach gehen sie in die Moschee.
Helgard: 2012 gab es hier eine Anti-Islam-Demonstration der Partei „Pro NRW“. Als Gegendemonstration sind muslimische Männer aus ganz Deutschland angereist. Die Stimmung war sehr aufgeheizt. Danach hat die arabische König Fahd Akademie zu einem Nachbarschaftstreffen eingeladen. Ich habe oben in der Glaskuppel einen mittelalterlichen Gesang der Hildegard von Bingen gesungen: “Caritas abundat – Die Liebe durchfließt alles“. Das war meine Reaktion auf den Unfrieden der Demonstrationen.
David: Meine Traumberuf: Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten. Wetter gucken. Aus dem Fenster gucken. Handy und iPad gucken. Gute Nachricht: Sonne. Schlechte Nachricht: Regen, Nebel, Blitz. Das ist meine Arbeit. Meine Firma. Nachrichten über Sonne und Wolke: „Autos vorsichtig fahren!“. „Blumen und Bäume gießen!“.
Hadjer: Ich habe zwei Heimatländer. Meine „kleine Familie“ – Vater, Mutter, Geschwister – lebt hier in Deutschland. Die „große Familie“ – Tante, Onkel, Großeltern – ist in Algerien. Ich weiß wirklich nicht, wofür mein Herz eher schlägt. Ich bin schon seit Jahren in Bad Godesberg, bin hier aufgewachsen. Hier habe ich Freundinnen und hier ist mein Leben. Aber dort, in Algerien sind auch Erinnerungen und Familie. In Algerien habe ich Deutschland vermisst. Hier vermisse ich Algerien.
Dies ist nur eine kleine Auswahl aus den rund siebzig biographischen Geschichten, die wir in Bad Godesberg gesammelt haben. Wir nutzen diese Sammlung, um mit musikalischen und künstlerischen Mitteln zur Begegnung zwischen den Generationen und Kulturen anzustiften.
Ausgehend von unserer Geschichtensammlung haben Schüler:innen der Jahrgangsstufe 10 an der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule eine eigene Kunstausstellung gestaltet. Zunächst haben sie sich selbst porträtiert. Anschließend haben sie sich künstlerisch mit den von uns gesammelten Gesichtern und Geschichten aus Bad Godesberg auseinandergesetzt. Angeleitet wurde das Projekt im Auftrag des Quartiersmanagements Unter der Godesburg von der Künstlerin und Kunstvermittlerin Sidika Kordes und der Kunstlehrerin Cornelia Lentz-Dierson.
Von Lebensfäden und Erzählstoffen
Parallel dazu hat die Künstlerin und Seelsorgerin Stephanie Graßhoff mehrfach den Ukrainischen Nähtreff der Flüchtlingshilfe Bad Godesberg besucht. Auch in dieser Begegnung entstanden mehrere Ausstellungstücke.
“Was war und was kommen kann”: So hieß das Stadtteilfest, zu dem INSIDE OUT – Portal auf Achse am 18.10.2025 ins Schauspielhaus Bad Godesberg eingeladen hat. Trimum war mit Geschichten, Porträts, Liedern und Kunstwerken aus Bad Godesberg zu Gast.
Ein Rückblick auf einen Tag voller Begegnungen:
Rolli- und Bläserprozession durch den Kurpark:
Den Bewohnerinnen und Bewohner des Altenzentrums Haus am Redoutenpark verdanken wir besonders viele eindrückliche Erinnerungen aus acht Jahrzehnten Bad Godesberger Ortsgeschichte. Ein guter Grund, um sie als Ehrengäste am Altenheim abzuholen und mit Blasmusik durch den Kurpark zu begleiten.
Samba-Session auf dem Theaterplatz:
Juliane Fehn und Max Kelm, Musikpädagog*innen und Community Musicians beim Theater Bonn, laden die Besucher:innen vor dem Schauspielhaus zu einer Jam Session mit Samba-Rythmen ein.
Ausstellung im Foyer:
Anschließend geht es drinnen im Foyer weiter. Im Mittelpunkt des Geschehens: die Ausstellung von Sidika Kordes und Stephanie Graßhoff.
Talkshow über Bad Godesberger Lebensläufe:
Alina Fleisch (INSIDE OUT), die Macherin und Moderatorin dieses Festes stellt gemeinsam mit Frank Schmitz vom Zentrenmanagement zwei Godesbergerinnen mit sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten vor.
Bad-Godesberg-Lied zum Mitsingen:
Zum Abschluss wird gemeinsam das Lied “Unter der Godesburg” gesungen.
Im Zentrum von Bad Godesberg leben ebensoviele junge wie alte Menschen. Ebenso viele Muslim:innen wie Christ:innen. Ähnlich viele Zugewanderte wie Alteingesessene. Hinzu kommt die einzigartige Geschichte als Diplomatenstadt der alten Bundesrepublik. Für das nachbarschaftliche Zusammenleben bedeutet das besondere Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen.
Und noch etwas begeistert uns: Bad Godesberg ist eines von vier Klimavierteln der Bundesstadt Bonn.
Freude. Joy. Joie. Bonn. Bonn hat sich die Freude zum Motto gemacht und will bis 2035 klimaneutral werden. In den städtischen Klimavierteln kann man Klimaschutz direkt vor der eigenen Haustür erleben. Im Klimaplan der Stadt Bonn werden die Klimaviertel als „Räume für Innovationen“ beschrieben, in denen die angestrebte Klimaneutralität nicht abstrakt bleibt, sondern konkret „erfahrbar wird“. Dabei sollen gerade auch solche Gruppen eingebunden werden, die sonst häufig unterrepräsentiert sind. Wir wollen dazu beitragen, diese großartigen Idee mit Leben zu füllen.
Gemeinsam den Wandel im Viertel gestalten. So lautet das Motto des Klimaviertels unter der Godesburg. Doch in einem kulturell und religiös derart vielstimmigen Stadtteil ist dieses Gemeinschaftsgefühl gar nicht so einfach herzustellen. Eine herausfordernde Aufgabe – doch sie fasziniert uns, weil sie zwei Zielsetzungen miteinander verknüpft: Mehr Klimaschutz und ein besseres nachbarschaftliches Klima.
Träger des Klimaviertels Godesberg ist der Verein Kultur verbindet. Die Koordination liegt in den Händen von Michael Wiese. Geplant ist ein Mitmachzentrum, das als Begegnungsort und Anlaufstelle genutzt werden soll. Hier sollen in Zukunft offene Treffen und Veranstaltungen stattfinden. Ebenfalls geplant sind eine Verteilerstation für Foodsharing und Solidarische Landwirtschaft entstehen.
Einmal mehr wird die brückenbauende Arbeitsweise von TRIMUM damit zu einem Teil eines größeren Ganzen, an dem viele unterschiedliche Akteur:innen beteiligt sind.
Wir sind überzeugt: Klimaschutz braucht kulturelle und religiöse Vielstimmigkeit – erst recht in diesem Stadtteil! Bad Godesberg hat in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erlebt. Die einstige Diplomatenhochburg hat sich zu einem vielstimmigen Stadtbezirk voller Potentiale und Herausforderungen gewandelt. Dabei spielen die Religionen als kulturell prägender, gemeinschaftsstiftender und teilweise auch trennender Faktor eine große Rolle.
Der Kompass unserer Arbeit
Unsere Vorgehensweise in Bad Godesberg folgt einem klaren Kompass. Gemeinsam mit der Klima-Allianz Deutschland und zahlreichen weiteren Partnern betreiben wir seit 2019 intensive Grundlagenforschung zum Thema “Kultur und Klimaschutz”. Eines der Ergebnisse dieser Forschung ist die Monographie Musik und Klima
Bad Godesberg und die Idee der Klimaviertel passen hervorragend zu unserer Agenda und unseren Forschungsergebnissen.
Wer mehr über unser Konzept wissen will, findet hier die detaillierten Hintergründe.
Latif Aldabuo (Gesang und Oud)
Nina Breitkopf (Interviews)
Stephanie Graßhoff (Ausstellung)
Naile Gülgen Tuncer (Gesang)
Bernhard König (Konzept und Leitung)
Sidika Kordes (Ausstellung)
Julia Machwitz (Interviews)
Anne Pistorius (Flöte und Klassenmusizieren)
Julian Röttgen (Interviews und Dokumentation)
Selin Schumacher (Interviews und Dokumentation)
ANqA e.V. für transkulturelle Bildung, Bürger.Bad.Godesberg e.V., Evangelisches Altenzentrum Haus am Redoutenpark, Frauenchor Tonino, Katholische Grundschule Am Domhof, Kultur verbindet e.V., Flüchtlingshilfe Bad Godesberg, Sozialpsychiatrisches Zentrum Villa Noah, Unter der Godesburg e.V
Besonderen Dank an: Ariba Arduc, Arzu Çetinkaya, Rolf Doppenberg, Ruth Gummersbach, Barbara Heidling, Marianne Horling, Arnulf Marquardt-Kuron, Anne Pistorius, Tamara Prost, Orainab Mashayekhi, Saloua Mohammed, Martin Schlu, Frank Schmitz, Alice von Spee und Ernst Ulrich Thomas.
Das Stadtteilfest Was war und was kommen kann war eine Veranstaltung von Inside Out: PORTAL auf Achse in Kooperation mit Trimum, dem Zentrenmanagement Bad Godesberg, dem Klimaviertel Unter der Godesburg und dem Quartiersmanagement Unter der Godesburg.
Das Projekt Biografie in Farben ist in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement Unter der Godesburg von der AWO entstanden. Es wird durch das Amt für Soziales und Wohnen und zusätzlich im Rahmen des Förderprojektes „Bonn wählt Demokratie“ vom Förderverein der Sparkasse KölnBonn e.V. gefördert.
Die Durchführung des Workshops Deutsch-ukrainischer Projektchor wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Flüchtlingshilfe Bad Godesberg.
G hoch vier und Mein Bad Godesberg waren Projektaufträge der Bundesstadt Bonn (Stabsstelle Bürgerbeteiligung) mit Unterstützung der Plattform Komparative Theologie und des CTSI der Universität Bonn._
