Trimum

Musik weiter denken

G hoch vier

Trimum im Klimaviertel Godesberg (2025)

Freude. Joy. Joie. Bonn. Bonn hat sich die Freude zum Motto gemacht und will bis 2035 klimaneutral werden. Wir wollen dazu beitragen, dass der Weg dorthin Freude macht. Und wir freuen uns, in einem großartigen Stadtteil zu Gast sein und an einer großartigen Idee mitwirken zu können.

Gemeinsam den Wandel im Viertel gestalten. So lautet das Motto des Klimaviertels Godesberg Nord. Doch in einem kulturell vielstimmigen Stadtteil ist dieses Gemeinschaftsgefühl gar nicht so einfach herzustellen. Bad Godesberg ist voller liebenswerter Menschen, die einander viel zu erzählen hätten und viel voneinander lernen könnten – wenn sie sich nur ein wenig besser kennen würden. Und an dieser Stelle kommt Trimum ins Spiel.

Gesichter, Geschichten, Gesänge.

“G hoch vier” – das steht für “Gesichter, Geschichten, Gesänge in Godesberg”. Viele Godesberger:innen sind sich fremd oder kennen sich nur flüchtig. Um sie einander näher zu bringen, sammeln wir seit Oktober 2024 ihre Lebensgeschichten und Lieder.

Einige Beispiele:

G hoch vier - Kadry

Kadry: Ich liebe es, mit den Händen zu arbeiten, und die Kunden sind auch zufrieden. Mein Vater war auch Schneider. Ich habe es von ihm gelernt. Schuster, Schneider, diese Berufe werden gebraucht. Handarbeit ist wichtig. Das Wegschmeißen von Kleidung ist schade. Manchmal gibt es teure Sachen und die brauchen nur repariert zu werden.

G hoch vier - Anna

Anna: Meine Eltern haben hier in Bad Godesberg eine Pension und wir haben oft internationale Gäste. Wenn in Bonn Klimakonferenz ist, dann sind wir immer ausgebucht. Aber um ehrlich zu sein: ich habe meine Hoffnung in diese Konferenzen verloren. Letztens war ein Klimadelegierter aus Äthiopien in unserer Pension, der hat auch die Hoffnung verloren. Die Herrscher dort sind korrupt und kümmern sich nicht darum. So lange überall die alten Leute an der Macht sind, wird sich nichts verbessern.

G hoch vier - Janis

Janis: Berlin, Bremen, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Köln, Hamburg, Bad Godesberg… Seit zehn Jahren schlafe ich auf der Straße. Ich komme aus Riga. Lettland ist nicht gut. Aber in Deutschland ist es gut. Gute Stadt. Hier frage ich nach bisschen Geld, ja, das ist kein Problem. In meiner Stadt in Lettland: keine Chance. Deutschland, I love you!

G hoch vier - Ursula

Ursula: Mit den Diplomaten damals, das war richtig toll. Die Amerikaner hatten die ganze Rheinaue gekauft. Das nannten wir „Ami-Siedlung“, da kam keiner rein. Aber meine Söhne sind sehr sportlich. Sie lernten Jungs aus der Siedlung kennen und haben sich in den Baseball verliebt. Durch die Kinder habe ich dann auch mehrere Mütter kennengelernt. Die Amerikaner aßen Pommes frites, grillten Barbecues und guckten englische Filme. Das war ganz was Tolles, das gab es ja bei uns noch nicht.

G hoch vier - Basel

Basel: Heimat bedeutet für mich, angekommen zu sein. Es bedeutet die Ruhe, die ich spüre, wenn ich durch den Kurpark spaziere. Dann kommen Erinnerungen an meine Kindheit hoch. Das Heimweh meiner Eltern habe ich als Kind nicht verstanden. Meine Mutter stammt aus dem Jemen und mein Vater aus Jordanien. Ich habe zwei Jahre in Berlin studiert. Aber Berlin war zu weit weg von meiner Heimat. Deshalb bin ich wieder hierher zurückgekehrt.

G hoch vier - Jamila

Jamila: Zuerst lebten wir in Aleppo, doch dann brach der Krieg aus. Über uns hinweg schossen syrische Soldaten und wir sahen viele Tote und Verletzte. Unsere Flucht hat uns über die Türkei nach Deutschland geführt. Die Anfangszeit in Deutschland war schwierig, da ich nicht mit allen sprechen konnte. Syrien bleibt meine Heimat. Ich bin dort geboren, das kann man nicht vergessen. Aber ich möchte in Deutschland bleiben. Ich will, dass mein Kinder hier lernen und glücklich sein können. Dafür will ich ihnen Kraft geben.

G hoch vier - Walter

Walter: Am 18. Oktober 1944 war hier der letzte Schultag. Das war, als Bonn bombardiert wurde. Da waren wir in der Schule und mussten in den Bunker gehen. Seitdem hatten wir keine Schule mehr. Bonn war ja praktisch zerstört. Aber mein Vater war in der Partei, dadurch konnte ich auf Kinderlandverschickung. Ich war zwölf Jahre, da hieß es: „Hitlerjungen weinen nicht“. Aber als der Lagerleiter zu Weihnachten eine Rede hielt, da brach er selbst in Tränen aus.

G hoch vier - Maryann

Maryann: Ich habe nie gebetet oder geträumt, nach Europa zu kommen. Aber ich wollte Journalistin und Nonne werden, seit ich acht Jahre alt war. Wenn die Leute mich gefragt haben „Warum möchtest du Nonne werden?“, dann habe ich gesagt: „Ich möchte Gott dienen durch Menschlichkeit.“ Das war meine Antwort. Und das tue ich jetzt hier in Bad Godesberg.

G hoch vier - David

David: Meine Traumberuf: Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten. Wetter gucken. Aus dem Fenster gucken. Handy und iPad gucken. Gute Nachricht: Sonne. Schlechte Nachricht: Regen, Nebel, Blitz. Das ist meine Arbeit. Meine Firma. Nachrichten über Sonne und Wolke: „Autos vorsichtig fahren!“. „Blumen und Bäume gießen!“.

G hoch vier - Hadjer

Hadjer: Ich habe zwei Heimatländer. Meine „kleine Familie“ – Vater, Mutter, Geschwister – lebt hier in Deutschland. Die „große Familie“ – Tante, Onkel, Großeltern – ist in Algerien. Ich weiß wirklich nicht, wofür mein Herz eher schlägt. Ich bin schon seit Jahren in Bad Godesberg, bin hier aufgewachsen. Hier habe ich Freundinnen und hier ist mein Leben. Aber dort, in Algerien sind auch Erinnerungen und Familie. In Algerien habe ich Deutschland vermisst. Hier vermisse ich Algerien.

Das Klimaviertel zum Klingen bringen

Zehn kurze Zitate aus über sechzig biographischen Erzählungen, die wir im Klimaviertel Godesberg gesammelt haben. Gemeinsam mit der Oper Bonn werden wir in den Herbstferien 2025 zu mehreren Workshops einladen, in denen diese Geschichten gemeinsam entdeckt und gestaltet werden können. Anschließend werden wir sie im Rahmen eines Stadtteilfestes öffentlich präsentieren.

Aber was ist das überhaupt – ein “Klimaviertel”?

In den Klimavierteln der Stadt Bonn kann man Klimaschutz direkt vor der eigenen Haustür erleben. Im Klimaplan der Stadt Bonn werden die Klimaviertel als „Räume für Innovationen“ beschrieben, in denen die angestrebte Klimaneutralität nicht abstrakt bleibt, sondern konkret „erfahrbar wird“. Dabei sollen gerade auch solche Gruppen eingebunden werden, die sonst häufig unterrepräsentiert sind.

Einander sehen – voneinander erzählen – miteinander singen. Die Idee der Klimaviertel fasziniert uns, weil sie zwei Zielsetzungen miteinander verknüpft: Mehr Klimaschutz und ein besseres nachbarschaftliches Klima. Unser Beitrag zu diesen beiden Zielsetzungen: Wir wollen helfen, die kulturelle Vielfalt des Stadtteils sichtbar zu machen und die Idee des Klimaviertels zum Klingen zu bringen.

Erste Schritte: Um uns diesem Ziel anzunähern, mussten wir den Stadtteil zunächst selbst kennenlernen. Unsere Sprache ist die Musik. Deshalb haben wir uns seit Oktober letzten Jahres von unterschiedlichen Vereinen und Institutionen zum Musikmachen einladen lassen. Wir haben mit katholischen Senior:innen Sankt Martin gefeiert und mit syrischen Geflüchteten arabische Lieder gesungen. Wir haben in der Familienbildungsstätte Musik mit Kindern und Eltern gemacht und in der Grundschule am Domhof eine interreligiöse Adventsfeier gestaltet.

Und was hat das alles mit Klimaschutz zu tun?

Wir sind überzeugt: Klimaschutz braucht kulturelle und religiöse Vielstimmigkeit – erst recht in diesem Stadtteil! Bad Godesberg hat in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erlebt. Die einstige Diplomatenhochburg hat sich zu einem vielstimmigen Stadtbezirk voller Potentiale und Herausforderungen gewandelt. Dabei spielen die Religionen als kulturell prägender, gemeinschaftsstiftender und teilweise auch trennender Faktor eine große Rolle. Die Menschen, die in Bad Godesberg Tür an Tür leben, haben unterschiedliche Erfahrungen, Weltsichten und Wertesysteme. Langfristig wollen wir dabei helfen, diese Perspektivenvielfalt auch für den Klimaschutz fruchtbar zu machen.
Der erste Schritt muss das Aufeinander-Zugehen sein. Einander kennenzulernen, sich zuzuhören und voneinander zu lernen – dies alles sind entscheidende Voraussetzungen für ein Klima des vertrauensvollen Miteinanders. Dazu wollen und können wir unterstützend beitragen.

Der Kompass unserer Arbeit
Unsere Vorgehensweise in Bad Godesberg folgt einem klaren Kompass. Gemeinsam mit der Klima-Allianz Deutschland und zahlreichen weiteren Partnern betreiben wir seit 2019 intensive Grundlagenforschung zum Thema “Kultur und Klimaschutz”. Eines der Ergebnisse dieser Forschung ist die Monographie Musik und Klima
Bad Godesberg und die Idee der Klimaviertel passen hervorragend zu unserer Agenda und unseren Forschungsergebnissen.
Wer mehr über unser Konzept wissen will, findet hier die detaillierten Hintergründe.

Teil einer größeren Idee

Einmal mehr wird die brückenbauende Arbeitsweise von TRIMUM damit zu einem Teil eines größeren Ganzen, an dem viele unterschiedliche Akteur:innen beteiligt sind.

Träger des Klimaviertels Godesberg ist der Verein Kultur verbindet. Die Koordination liegt in den Händen von Michael Wiese. Gegenwärtig entsteht in der Bonner Straße ein Mitmachzentrum, das als Begegnungsort und Anlaufstelle genutzt werden soll. Hier sollen in Zukunft offene Treffen und Veranstaltungen stattfinden. Ebenfalls geplant sind eine Verteilerstation für Foodsharing und Solidarische Landwirtschaft entstehen.

Rund um dieses Mitmachzentrum entsteht gegenwärtig ein Netzwerk aus Klimaviertelunterstützern:

ABK e.V. (Arbeitsgemeinschaft Bildung und Kultur e. V. Bonn und Umgebung)
Aktion Baumwächter
Aktionsbündnis StadtGRÜNerhalten
BUND Bonn
BürgerSolarBerater Gruppe Bad Godesberg
Change Clubs gGmbH
FIBB e.V
Foodsharing e.V.
Generationennetzwerk Bad Godesberg
Haus der Familie
ISC Al Hilal
Makerspace Bonn e.V.
Manaasil Lernwelten gGmbH
Ökozentrum Bonn e.V.
Südarabischer Frauenverein
Wir unter der Godesburg e.V.
Zentrenmanagement Bad Godesberg

Trimum in Bonn: Unsere bisherigen Aktivitäten

Trimum ist seit 2023 in Bonn aktiv. Gemeinsam mit der Plattform Komparative Theologie, dem CTSI (International Center for Comparative Theology and Social Issues der Universität Bonn) und zahlreichen weiteren institutionellen Partnern haben Bernhard König und Orainab »Ermia« Mashayekhi 2023/24 mehrfach zu interkulturellen Feiern und Workshops eingeladen, sich unterstützend in die Aktivitäten verschiedener örtlicher Netzwerke eingebracht, das wöchentliche multireligiöse Gebet im Bonner Münster mitgestaltet und eine Zukunftswerkstatt Kultur und Klimschutz durchgeführt.

Das Team von “G hoch vier”

Latif Aldabuo (Gesang und Oud)
Nina Breitkopf (Interviews)
Naile Gülgen Tuncer (Gesang)
Bernhard König (Konzept und Leitung)
Julia Machwitz (Interviews)
Anne Pistorius (Flöte und Klassenmusizieren)
Julian Röttgen (Interviews und Dokumentation)
Selin Schumacher (Interviews und Dokumentation)

Bonnlogo Mitmachen Logo Plattform KompTheologie
Logo CTSI Bonn NRW Logo Kultur und Wissenschaft

G hoch vier – Gesichter, Geschichten, Gesänge in Godesberg ist ein Projektauftrag der Bundesstadt Bonn (Stabsstelle Bürgerbeteiligung) mit Unterstützung der Plattform Komparative Theologie und des CTSI der Universität Bonn.