Trimum

2012 - Wie klingt, was Du glaubst?

Klänge des Glaubens: Ein Rückblick auf Trimum 2012

Gastbeitrag von Emina Čorbo-Mešić

Ich bin schon seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog engagiert, habe dabei Höhen und Tiefen erlebt und vor allem sehr viel über mich selbst lernen dürfen.
Durch die Auseinandersetzung mit Menschen anderer Glaubensrichtungen, kam ich immer wieder in Situationen, mich selbst und meinen eigenen Glauben zu hinterfragen. Viele Fragen würde ich mir selber nicht stellen, weil ich sie für selbstverständlich halte. Und doch bin ich so unendlich dankbar für jedes Gespräch oder jede Begegnung, weil erst dadurch die verschiedenen Facetten und Nuancen meines Glaubens sichtbar wurden.

Ich sah außerdem auch Gemeinsamkeiten, die mich noch mehr stärkten und mich motivierten, weiter diesen Weg des Dialoges zu gehen. Denn Gott sagt im Koran selbst, dass Er uns erschaffen hat und zu verschiedenen Völkern und Stämmen gemacht, damit wir uns kennen lernen (Sure 49, Vers 13). Mir gefällt in diesem Kontext auch die Aussage Martin Bubers, dass der Mensch erst am Du zum Ich wird.

Häufig ging es in solchen interreligiösen Gesprächen jedoch um die gleichen, schweren und unlösbaren Themen wie Gewalt in den Religionen, die Rolle der Frauen, vor allem die angebliche Unterdrückung der Frau durch den Islam und das Gottesbild. Themen, die mich nicht auf spiritueller Ebene berührten.

Nicht, dass dies keine wichtigen Themen wären, die zu diskutieren sind – im Gegenteil! Jedoch fehlte mir häufig bei dieser Art des Dialogs der menschliche Bezug.

Die Gesprächspartner gingen mit sehr viel Distanz zueinander an die Themen heran. Man kannte sich kaum und erwartete doch eine grundsätzliche Stellungnahme von mir: Ich solle doch bitte als Muslima erklären, weshalb beispielsweise in Afghanistan die Frauen so unterdrückt werden. Die Diskussionen waren sehr kopflastig. Meine Vernunft wurde angesprochen jedoch nicht meine Gefühle, mein Innerstes, das was den Menschen auch ausmacht.

Als ich 2011 beim evangelischen Kirchentag ein trialogisches Konzert mit moderieren durfte, eröffnete sich für mich eine ganz neue Ebene des interreligiösen Dialoges.
Zum ersten Mal kam ich mit dem Thema »Musik im Trialog« in Berührung und war von Anfang an begeistert. Deshalb fiel es mir auch nicht schwer, mich bei Trimum mit zu engagieren, als Bernhard König und Christian Zech mich danach fragten.

Hintergrund 2

Der interreligiöse Beirat

Sehr interessant fand ich die Idee, dass Vertreter aller drei Religionsgemeinschaften in einem Interreligiösen Beirat das Projekt von Anfang an begleiten durften.
Es wird somit nicht ein interreligiöses Projekt »über« Muslime, Juden und Christen durchgeführt, sondern mit ihnen gemeinsam.

Anfangs beschäftigte sich der Beirat mit ganz essentiellen Fragen wie, welche Arten von religiöser Musik gibt es in der jeweiligen Religion und Tradition und wie lassen sich sich darstellen? Es gab dabei verschiedene Meinungen und viele Diskussionen, die erst den Weg zu einem fruchtbaren Ergebnis geebnet haben.

Selbst innerhalb der einzelnen Religionsgemeinschaften gab es verschiedene Meinungen darüber, wie beispielsweise die heiligen Schriften angemessen eingebettet werden können in einer Art »Konzert« ohne dabei ihre Heiligkeit zu verletzen.

Bezüglich Musik gibt es im Islam verschiedene Meinungen: Die Koran-Rezitation an sich wird nicht als Musik bezeichnet. Doch es gibt religiöse Lieder, die Ilahis. Und der Prophet Muhammed hat die Menschen dazu aufgerufen ihre Freude durch Lieder und Musik zum Ausdruck zu bringen, beispielsweise bei Hochzeiten oder der Geburt eines Kindes. Was bei allen Dingen des Lebens wichtig ist, trifft auch auf die Musik zu: Es zählt die Absicht, mit der man etwas tut. Außerdem wird geboten, jegliche Übertreibungen zu vermeiden – das gilt selbst für alle Glaubensfragen. Somit haben wir klare Richtlinien, innerhalb welcher jeder für sich entscheiden kann, wie er mit Musik umgeht.

Ein Projekt aus vielen Bausteinen

Mit den positiven Erfahrungen vom Dresdener Kirchentag war ich auf das Projekt Trimum von Anfang sehr neugierig. Anfangs konnte ich mir nicht so ganz vorstellen wohin unsere Reise gehen würde und wie das Projekt im Detail aussehen würde, da es aus vielen verschiedenen einzelnen Bausteinen bestand.

Dazu zählten auch die Fotos und Texte zum Thema »Wie klingt, was du glaubst?«, die im vorliegenden Buch zu sehen sind. Bei Trimum 2012 wurden sie zunächst als Fotoausstellung gezeigt und sind seither an verschiedenen Orten als Wanderausstellung zu sehen. Außerdem waren für das erste Jahr Schülerworkshops, ein Familienkonzert und ein trialogisches Abschlusskonzert geplant.

Die Fotoausstellung war so angelegt, dass verschiedenste Menschen über ihr Leben und ihre Vorstellung von Musik berichten konnten. Sie erzählten von Musikstücken, die ihr Leben besonders geprägt haben und wurden nebenbei auch noch fotografiert. Ich fand es erstaunlich, wie die Fotografin Jane Dunker es verstand, einen bestimmten Aspekt ihrer Persönlichkeit in eindrücklichen Bildern fest zu halten.

Bei den Schulworkshops haben sich mehrere Schulklassen aus Stuttgart für ein halbes Jahr auf die Suche gemacht, mehr über die verschiedenen Vorstellungen von Musik der verschiedenen Glaubensrichtungen herauszufinden. Dabei wurden sie zu Reporterinnen und Reportern, die Vertreter anderer Religion zu ihrem Verständnis von Glauben und Musik befragten.
Sie bekamen somit die Gelegenheit, die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zu erkennen: Woran glauben sie selbst und woran glauben andere? Welche Rolle spielt Musik in ihrem eigenen Leben und im Leben und Glauben ihrer Gesprächspartner? Das waren fortan Fragen, die sie zu mehr Selbstreflexion veranlassten.

Ihre Interviewpartner konnten sich die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Bereichen suchen: In Altenheimen, sozialen Einrichtungen, Firmen, bei privaten Hausbesuchen oder auch in verschiedenen Gemeinden wie z.B. in einer Synagoge oder einer Moschee.

Ein Besuch in der Moschee – und die Folgen

Die Klasse 6c des Schickhardt-Gymnasiums Stuttgart hatte sich die Begegnung mit dem Islam zum Thema gemacht. Nur zwei der Schüler stammten aus muslimischen Familien, so dass diese Religion innerhalb der Klasse weitgehend unbekannt war.

Während ihres Besuches einer Moschee im Stuttgarter Norden sprudelten die Schüler nur so darauf los mit ihren Fragen: Dürfen Muslime überhaupt Musik hören und wird in der Moschee gesungen?
Weshalb zieht man die Schuhe vor dem Betreten der Moschee aus und weshalb tragen muslimische Frauen das Kopftuch?
Sie waren sehr neugierig und froh, über den Islam etwas lernen zu können. Ihr Gastgeber, Herr Kazanc, erwies sich dabei als offener Gesprächspartner, was den Kindern das Ansprechen auch von schwierigen Themen erleichterte. Die Schüler staunten nicht schlecht, als er erklärte, dass er erst in Deutschland seine Religion richtig kennen gelernt habe.

Sehr beeindruckend fand ich, wie die Schüler ihre Erlebnisse von der Moschee-Exkursion dann anschließend in einem selbst komponierten Stück ausdrückten. Bereits bei den Proben, angeleitet durch den Trimum-Dozenten Bernhard Rißmann, zeigten sie viel Eigeninitiative und Kreativität bei der Umsetzung Ihrer Erfahrungen.

Das Vorurteil, der Islam sei eine Gewalt verherrlichende Religion, lässt sich wohl kaum eindrücklicher darstellen als durch gewaltige Paukenschläge. Die Aussagen der Schüler, dass die Moschee für sie »fremd«, »beeindruckend« und »wunderschön« war, wurden unter anderem mit Rasseln dargestellt, was die positive Neugier der Schüler ausdrückte: Etwas ist fremd und neu und doch lerne ich mit der Zeit damit umzugehen.
Die Schülerkomposition wurde, wie auch die Ergebnisse der anderen Schulworkshops, beim Familienkonzert im Rahmen des Stuttgarter Musikfestes 2012 vorgestellt, wo Eltern und Freunde der Schüler gekommen waren, um sich die selbst komponierten Stücke der Schüler anzusehen.

Meines Erachtens wäre es sehr schön gewesen, wenn die Schüler auch eine Kirche besucht hätten. Das hätte dem trialogischen Charakter dieses Projektes noch mehr entsprochen.
Wahrscheinlich ist man bei der Planung davon ausgegangen, dass die meisten Schüler eine Kirche bereits von innen gesehen haben und hat sich deshalb auf die beiden anderen Religionen konzentriert. Aber es gibt ja auch nichtchristliche Schüler, die noch nie eine Kirche besucht haben.
Es gab sicherlich noch weitere Versäumnisse. Nicht alle Punkte konnten im interreligiösen Beirat bedacht und thematisiert werden, da man zunächst eine gewisse Zeit benötigt hat, um sich überhaupt kennen zu lernen und damit eine Kooperationsbasis schaffen zu können.
Doch nun haben wir die Erfahrungen des letzten Jahres und können daraus für die nächsten zwei Jahre sicherlich profitieren und aus Versäumnissen lernen.

Das Abschlusskonzert

Man kann sagen, dass das Trimum 2012 ein Patchwork-Projekt war, das aus vielen verschiedenen Segmenten bestand. Abgerundet wurde es mit dem Abschlusskonzert beim Musikfest am 13. September 2012.

Es war ein trialogisches Konzert, bei dem traditionelle Musik aus dem Judentum, dem Christentum und dem Islam gespielt wurde: Gregorianischer Choral, türkische Sufi-Musik sowie Hebräischer Synagogalgesang. Hinzu kamen Koran-Rezitationen.

Der Trialog, den ich in diesem Konzert erlebte, fand nicht verbal auf intellektueller Ebene stattfand, sondern berührte mich in meinem tiefsten Inneren – dort, wo Gott zu finden ist. Im Islam bezeichnet man die Seele des Menschen als »ruh«, die dem Menschen bei seiner Erschaffung von Gott über einen Engel eingehaucht wird. Die bewegenden Klänge bezeugten die individuellen und einzigartigen Merkmale der jeweiligen Religion und verwiesen gleichzeitig auf die gemeinsamen Wurzeln ihrer Existenz.

Angemessen waren sicherlich die kurzen Pausen zwischen den Beiträgen der drei Religionen, weil dadurch die Einzigartigkeit jeder Religion mit Respekt gewürdigt wurde.

Dieser Abend stärkte mich in meiner Überzeugung, dass wir alle den selben Ursprung haben und das gleiche Ende erwarten. Wie wir jedoch miteinander diese Zeit dazwischen verbringen, liegt in unserer Verantwortung und in unseren Händen. Natürlich lassen sich Probleme, die es zwischen den verschiedenen Religionen gibt, nicht durch Musik allein lösen. Sie soll uns auch nicht von der manchmal schwierigen Realität ablenken.

Aber sie hilft uns, sie leichter zu ertragen. Denn ich bin überzeugt, dass sie unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmung sensibilisiert und helfen kann, uns menschlich näher zu kommen. Somit wird ein interreligiöser Austausch zwischen den Religionen ermöglicht, der nicht nur über den Kopf läuft, sondern die wichtige Ebene der Gefühle berührt.
Es treten dabei die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund, anstatt die dennoch vorhandenen Unterschiede. Es gilt zu lernen, diese Unterschiede auch auszuhalten.
Es mag verschiedene Definitionen von Musik und Klängen innerhalb der Religionsgemeinschaften geben. Doch ein wichtiger Punkt eint sie alle. Sie berührt und verbindet uns in unserem Inneren.